Walter Hege

Walter Hege, geboren 1893 in Naumburg, gestorben in 1955 Weimar, wurde
weltweit bekannt durch seine legendären Architekturfotografien der deut-
schen Dome von Bamberg, Speyer, Naumburg und Worms. Antike Kultstätten
oder gotische Sakralbauten im kühnen Monumentalstil der Moderne fotografiert
– die Neuinterpretation der Antikenrezeption war sein Markenzeichen. Der be-
gabte Schüler an der Kunstakademie Dresden aus der Meisterklasse des berühm-
ten Porträtfotografen Hugo Erfurth wurde erst spät wiederentdeckt und zählt
dennoch, was für ein Paradox, zu den Wegbereitern der Fotografie im Deutsch-
land der 30er-Jahre. Heges Neubewertung stand lange im Schatten seiner propa-
gandistisch aufgeladenen Tätigkeit als Kameramann für Leni Riefenstahl und
Albert Speer im Nationalsozialismus. Hege wirkte bei Filmen wie Olympia 1936
mit.

Darüber geriet vieles in Vergessenheit. Künstlerisch war Walter Hege zeitlebens
unumstritten und zutiefst seiner Antikensehnsucht und aber ebenso gründlich
dem Humanismus der Weimarer Klassiker verpflichtet. Und ganz gewiß war er
ein technischer Perfektionist und eher Tradionalist. Das war sein Schwachpunkt.
Ein Nationalist oder Nationalsozialist war er indes nicht. An der Hochschule in
Weimar lehrte er die Zeichenklasse von 1930 bis 1935, als das Bauhaus längst
Weimar verlassen hatte. Der nun Staatlichen Hochschule für Baukunst, Bildende
Künste und Handwerk wurde fortan der Geist der Moderne wieder ausgetrieben.
Keine Frage: Hege war gewissermaßen unfreiwillig modern. So etwa in seiner Na-
turfotografie.

Kritisch gewürdigt wurden diese stillen Werke zu den Serien ‚Fauna und Flora
sowie ‚Gärten und Veduten’ bisher kaum. Doch diese Werke hätten es wahrlich
verdient.

Hierbei handelt es sich um ein Konvolut von Werken, das aus dem Gerlach-Archiv
stammt, dessen Beständein den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgelöst wur-
den. Der Qualität nach sind diese Fotografien Barytabzüge - vintage press prints
aus der Zeit um 1924 und 1925 - einige datiert um das Jahr 1930. Ihr Urheber ge-
hört damit in eine Reihe bedeutender Naturfotografen. Wenige nur kennen diese
Werke - eine Welt en miniatur, die einen Zauber an Schönheit entfaltet. Fauna
& Flora
hieß eine erste Ausstellung im Jahr 2005. Mit Gärten & Veduten folgte
im Jahr 2006 die zweite Schau der Galerie - damals noch unter dem Namen photo-
net.

Wie aber bringen wir Architektur und Pflanzen zusammen? Was hat eine Libelle,
die auf einer Tannennadel ausruht, mit der Architektur der Akropolis gemein? Wal-
ter Hege übernahm während seiner Dresdner Lehrjahre zwischen 1918 und 1921
von Hugo Erfurth die staunende Konzentration auf das Wesentliche. Was aber ist
das Wesen einer Sache? Ein Credo übernahm Hege jedenfalls von seinem Meister:
Großer Stil ist Einfachheit. Form musste also idealisiert werden! Inszenierung war
die Folge. Was haben eine Tanne im Raureif oder die Küchenschelle mit dem Apol-
lon-Tempel gemein? Heges Lichtführung gab der Nachwelt bildhaft Antwort und
lässt Bauten wie Pflanzen innerlich leuchten. In Worten: "Ein Bauwerk hat viele Ge-
sichter." Die Frage, die Hege sich zeitlebens stellte, war nur: "Welches aber ist das
ewige?"

Heges spürbare Sehnsucht in den Architektur-Aufnahmen nach apollinischer Klassik,
dem strengen Formideal der Antike, die Suche nach dem Erhabenen und seiner
modernen Strahlkraft, nach zeitgemäßer Heroik und Pathos war stets spürbar. So
suchte er in toten Steinskulpturen der Dome das Lebendige. Bereits als Kind hatte
er bei dem Anblick der Stifterfiguren im Naumburger Dom eine Art Schlüsselerlebnis,
das bis auf sein späteres Künstlerschaffen wirkte. Mit suggestiver Bildsprache, einer
raffinierten Lichtführung, die mit hartem Helldunkelkontrast geradezu expressiv-
filmisch angelegt ist, gelingt es ihm, die gleichsam 'ungerührt' in Stein gemeißelten
Figuren zum Leben zu erwecken. Die Spätgotik eines Tilman Riemenschneider
fand in Walter Heges ausgeklügelter Lichtregie seinen besten Fürsprecher und
Interpreten.

Modernität und Expressionismus mischen sich so bei Walter Hege zu neuem Stil.
Noch seine Pflanzen-Studien sind Meisterwerke einer stillen Mikrowelt - immer
höchst konzentriert, bisweilen weniger ornamental als ein Blossfeld, Ehrhardt,
Kühn oder List, eher postromantisch zu nennen. Der mit seinem Spätwerk kaum
mehr beachtete Fotograf starb im Jahr 1955 in Weimar während einer Rede zur
Eröffnung der ersten Nachkriegs-Ausstellung, die seinem Lebenswerk gewidmet
war. Die Laufbahn eines apollinischen Unpolitischen endet jäh mit einem Herz-
infarkt. Damit erwies er sich zuletzt als jener Dionysos im Lichte Hellas, der er
war.

Hellas Tempel

Parthenon mit Blick gen Osten (1928)

Abzug 1928-1929

Vintage Gelatine Silber Print

18,0 x 13,0 cm (Blatt)

Verso Stempel + Titel

Provenienz Privatbesitz

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