WIESBADEN BASED GALLERY | RARE OR UNIQUE

CONTEMPORARY + MODERN WORKS ON PAPER

Abbildung: Paul Wolff - Eier und Sieb (1933) | Vintage Silber Gelatine Abzug 22,0 x 16,3 cm

Die entfesselte Kamera - und wie das Entfesselte uns abermals fesselt

Paul Wolff [1887-1951] verdanken wir die Entfesselung der Kamera, indem er selbige vom Stativ befreit hat. Die Leica von Oskar Barnack machte kurz zuvor Bilder vom wirklichen Leben möglich. Das barg auch politische Sprengkraft. Zumal Ende der goldenen Zwanziger, die gar nicht so gülden waren mit weltweit dräuender Wirtschaftkrise und dem nahen Ende der Weimarer Republik. Die Welt war im Aufbruch. Bewegt war sie - und sie geriet aus den Fugen. Alle Statik war perdu. Die Technik wälzte den Alltag so vieler Menschen radikal um: Automobil, Aeroplan, Bomben, Raketen, Rundfunk, Telefon, Telegramm und Zeppelin - Masse wie Mensch schwelgten im unerhörten Temporausch, der sich in rasender Dynamik der Epoche Bahn brach und entlud. Mitten drin dabei damals Dr. Paul Wolff, der als Mediziner habilitiert wird und als Reporter landet.

Oskar Barnack sei Dank, dem genialen Erfinder der ersten Kleinbildkamera, der sogenannten Urleica, konnte dieser Paul Wolff so ab 1926 mit leichtem Gepäck reisen, darin seine in einem Wettbewerb gewonnene Leica, und fortan auch ganz unbeschwert seinen Blick auf die Welt im Umbruch schärfen, ja sogar werfen - ebenso schnell wie spontan. Das Geschenk der Ernst Leitz GmbH an den Pionier war sein Eintritt in die Welt. Der Messsucher dieser Leica war dank Parallaxe präzis und schnell. Ohne lange umständlich seine Schärfe finden zu müssen, konnte unser Reporter sein Objekt der Begierde im Bruchteil einer Sekunde erst ins Auge fassen, dann im Nu ins Bild setzen. Die Kamera war entfesselt. Dieser Stil war prägend für die ganze Moderne. Der Einfluss von Paul Wolff seitdem auf die moderne Kleinbild-Fotografie ist groß. Das Sonderbare galt als das Wunderbare im Werk bei Paul Wolff. Das Wunder sucht das Profane, damit es sich zeigen kann. Seine Haltung bewahrt er sich zeitlebens: ein Staunen. Und dies Staunen blieb immer sein 'Tor' zur Welt. Naiv? Wohl kaum.

Aber Paul Wolff konnte auch genau das Gegenteil mit der kleinen Leica und der 50 mm Brennweite tun. Er konnte das Entfesselte, das Leben wie das Licht, zum Bild verdichten, mithin im poetischen Stillleben fassen, das so an Stringenz in der Komposition und an Kontemplation bis heute kaum mehr zu überbieten ist: Zwei Eier etwa, das Leben selbst also, und ein Sieb, beide im Schein der Sonne. Die Dinge wirken nicht wirklich. Eher surreal, nicht banal. Sie zeichnen sich vor der Maserung eines Küchentischs ab. Eine Welt der Formen tut sich auf. Zwei mal Oval treffen auf ein Siebrund von DASTRA im Anschnitt. Der Teil steht da für das Ganze. Damit hat der Großmeister der Entfesselung das Entfesselte zuweilen zum Augenblick gerinnen lassen. Die zwei Eier und das Sieb, wir schreiben das Jahr 1933, leuchten wie von Innen aus sich heraus. Sie wirken als Epiphanie oder Transmitter, werden zur Ikone einer Epoche, die auf einem engen Küchentisch Platz hat. Das große Weltgefüge weicht plötzlich der Welt im Kleinen.

Wo viel Licht ist, fällt der Schatten tief. Davon erzählt diese Fotografie, die eine Neuerwerbung ist, aus dem Schicksaljahr 1933. Einige Originale Paul Wolffs, dem Frankfurt stets seine Wahlheimat war, sind nun - ein Säkulum später - in Hessen zurück.

Copyright Bild: Paul Wolff | Copyright Text: Klaus Kleinschmidt | Courtesy: Kleinschmidt Fine Photographs and the artist

Abbildung: Theophile Ballmer - Lampenstudie (1931) | Vintage Gelatinesiberabzug, Unikat | Format 24,0 x 30,6 cm (Blatt)

Crumbs and Drops | Vom Eigensinn ungesehener Solitäre

Ein Kunsthändler rückt in seinem Leben meist eine Handvoll Künstler nur in den Fokus seiner Betrachtung, die er mit Aus-stellungen nach ihrer Autorenschaft zur Werkschau adeln will. Hierzu braucht er freilich etwas Fortune, damit er den Erstling zum Ensemble und selbiges zum Konvolut ausbauen kann. Weniger das Geld spielt dabei eine Rolle. Eher das Glück des Tüchtigen oder der Zufall muss ihm hold sein. Sein Vermögen wird so durch Fortuna, der Göttin des Glücks, nicht wenig gelenkt: Nicht selten dauert es zehn oder zwanzig Jahre, bis die volle „Reife" der Ausstellung für den Kunsthändler erst erlangt ist.

Nun kann es sein, dass der Kunsthändler, obwohl Dekaden am Markt, es ihm einfach nicht gelingt, über eins, zwei, drei Blatt hinaus seinen Favoriten zur Ausstellung reifen zu lassen. Dies ist bei aktueller Werkschau mit genau sechs Zuträgern bei gerade einmal 12 Blättern der Fall. Derlei Malaise ist so-mit ganz und besonders rar - und für einmal nicht ohne Reiz: Als Kurator dient dort der Zufall, der ihm die Abfolge und den Umfang seiner Hängung diktiert. Was soll unser Händler denn auch blind dem Gesetz der Serie folgen, wenn er seinen Favoriten als Solitär ohnehin besser 'artig' und ‘einzig‘ zeigen kann?

Die Urheber der Kunstwerke sind modern: Théophile Ballmer [1902-1965], Ilse Bing [1899-1998], Aenne Biermann [1898-1933], Hermann Claasen [1899-1987], Hannes Kilian [1909-1999] und sogar ein Piktoralist wie Hans Rudolphi [1880-1957] sind dabei. Diese Grundgänger bilden quasi - jeder mit ein paar Blatt - einen Grenzstein der Frühen Moderne ab. In der aktuellen Werkschau zeig(t)en wir mithin zwölf Juwelen der Fotografie 'einsam' für sich - und doch sondern diese sich nicht ab. Denn das Dutzend hängt dort, sichtbar vereint für jeden Besucher, und stellt sich aus. Die Zusammenschau der Solitäre hebt den Eigensinn der Werke - ihre Aura - so nicht auf.

Copyright Abbildung: Bassenge | Copyright Text: Klaus Kleinschmidt | Courtesy: Kleinschmidt Fine Photographs and the artist

Ausstellung bis 18. Juli 2025 von 15 bis 18 Uhr. Bitte melden Sie Ihren persönlichen Terminwunsch während der Öffnungszeiten [Menü Kontakt] an. Wir bestätigen Ihnen möglichst unverzüglich Ihren Termin.

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