HELLO PAUL ALMASY | LOVE LOVE LOVE ! [15. monographische Werkschau]

Wenn der Sinn der Kunst, das, was ihr Wesen ausmacht, per Definition darin besteht, verborgene und versteckte Dinge, für jeden Betrachter, den sie darum etwas angehen, sichtbar zu machen, dann ist Paul Almasy, der zeitlebens nie ein Künstler sein wollte, sogar ein Künstler im Wortsinn. Der Fotoreporter jedenfalls hat den Status des Künstlers für sein Lebenswerk nie gelten lassen. Im Gegenteil hat er dies stets vehement verneint. Er verstand sich als ein strikt der Information dienlicher Aufklärer - ein Zeitzeuge eben. Seine Zunft war die Presse. So sorgten dann die weltweit erste Ausstellung und der erste Bildband über ihn aus dem Stand heraus gleich für zwei Premieren mit Aplomb: "Paul Almasy - Zaungast der Zeitgeschichte".

Ein Galerist aus Wiesbaden hat in den knapp drei Dekaden seiner Tätigkeit von der Landeshauptstadt in Hessen aus etwa 75 monographische Austellungen weltweit allein über Paul Almasy als Kurator auf den Weg gebracht und gezeigt - darunter umfassende Schauen in Häusern wie etwa die frühe im Alpenverein München auf der Isarinsel mit 100 Werken und in Museen wie dem MMK um die Jahrtausendwende mit ebenso vielen kurz danach oder die in der Deutschen Börse in Frankfurt und im Willy-Brandt-Haus in Berlin mit 200 Werken. Ein seltener Höhepunkt war gewiß die überragende Retrospektive im Museum Ernst in Budapest, die Almasy neben Capa und Moholy-Nagy als einen ihrer größten Talente im damals ausgehenden Jahrhundert adelt. Und da gab es jene Werkschauen mit 200 Werken fast vor der Haustür, in den Opel-Villen Rüsselsheim oder etwa auf den Fototagen in Herten, aber eben auch nicht wenige - circa 25 an der Zahl - just dort in den eigenen Schauräumen der Galerie. Das große Parkett aber fand Paul Almasy oft auf Messen wie der Art Cologne oder Photo London oder der Paris Photo oder auf der KIAF in Seoul oder der Art Hongkong, als der Stadtstaat noch frei war. In dem ganz unvergleichlichen Lebenswerk des berühmten Fotoreporters aus Ungarn, das sich auch für den Laien sofort am Format erkennbar in sein Frühwerk und sein Hauptwerk teilt, dem die Nachwelt darum nicht weniger als 600 Werke verdankt, bildet das Thema der Liebe den Fokus und den Rahmen seiner Sicht auf die Welt. Das wohl bekannteste Werk von Paul Almasy aus dem Sujet zeigt ein Paar mittags in einem lichten Hausflur im Paris des Jahres 1948.

Das Luzide darin rührt aber von der Liebe her, die das Bild so lebensnah warm verströmt - ein Schnappschuss gleichsam als Ikone aus kalter Nachkriegszeit. Und in der Tat hat Paul Almasy, unser Globetrotter mit Grandezza, auf allen seinen Weltreisen in über sieben Dekaden und auf allen Kontinenten der Welt die Liebe als die große Kraft, als den bindenden Kitt unserer zunehmend diversen Gesellschaften erkannt, die alle Menschen, egal welcher Herkunft und Nation, ubiquitär eint. Sie bildet den Zusammenhalt. Dies Credo hat er mit jedem seiner Werke, die bis heute Bestand haben, der Nachwelt hinterlassen. Unsere Abbildung zeigt eine Wartende im Jahr 1957 in Paris. Das feine Mienenspiel um den Mund und die Augen im Gesicht der jungen Frau verrät vage Erwartung. Ihr Blick richtet sich leer nach Innen aus. Sind ihre Gedanken bei der Verabredung? Eine vierte Person im Bild fehlt indes kaum übersehbar. Almasy hat Wartende wie kein anderer studiert. Der 'Elefant im Bildraum', der unsichtbar Sichtbare, ist da der Fotograf. Er büßt galant die Lücke. Füllt sie. So wird er in der Situation für eine Viertel Sekunde lang zum Ersatzobjekt der Verabredung. Zwar als Person kaum je erwartet, dafür aber sehr wohl registriert, ist es bei der Frau just das Momentum, in dem ein ihr unbewußter Ausdruck ins Gesicht, ein Sehnen, ein Warten in ihr Bewußtsein huscht. Die Verabredung mag am Ende geglückt sein - ein 'Warten auf Godot' muss das nicht gewesen sein. Aber wer weiß das schon? Die Zeit ist perdu.

Copyright [Text] und Courtesy [Bild]: Paul Almasy and Kleinschmidt Fine Photographs